Die Kunst der Rongorongo-Schrift
auf der Osterinsel
Die Kunst zur Fertigung der Rongorongo-Schrift auf der
Osterinsel
Kurzbeschreibung:
Die Rongorongo Schrift von der Osterinsel ist der Wissenschaft
bis heute ein großes Rätsel. Das gilt sowohl für
die Herkunft als auch von ihrer Bedeutung. Diese Schrift ist einmalig
in ganz Polynesien.
Bei der als Rongorongo bezeichnete Schrift handelt es sich um
unterschiedliche Symbolzeichen, die in Kombination bis zu 600
verschiedene Zeichen bilden können. Sie wurden vornehmlich
auf flachen Holzplatten eingeschnitten und von links nach rechts
gelesen.
Die gängige Lehrmeinung ist, bei den Rongorongo Zeichen
handelt es sich nicht um eine Schrift im klassischen Sinn, sondern
mehr um Gedächtnissymbole zum Auswendiglernen von religiösen
Hymnen. Bei den Hymnen ging es vornehmlich um Legenden, die je
nach Interpreten der Zeichen, unterschiedlich erzählt wurden.
Quelle:
- "The Mystery of Easter Island", Routledge,
1919, S. 208, 243 - 254, 266
- "La Tierra de Hotu Matu´a", Sebastian Englert
1948
- "Grundlagen zur Entzifferung der Osterinselschrift",
Thomas Barthel, 1958
- "Monoraphie über die Rongorongo-Schrift" - Habilitationsschrift
Thomas Barthel 1958a
- "Rongorongo: The Easter Island Script: History, Traditions,
Text…", von Steven Roger Fischer, 1997
- "Osterinsel, Geschichte und Schrift", in Historical
Geographical Bulletin, Band 2, 1893, S. 240-270.
(posthume Memoiren geschrieben von Pater Alazard
aus den Notizen von Jaussen)
- "Island at the End of the World - The turbulent History
of Easter Island", von Steven R. Fischer, 2005,
- "Rapa Nui Journal", RNJ_24_1, Steven Roger Fischer,
2010
- "Rapa Nui Journal", RNJ_24_2, Steven Roger Fischer,
2010
Die Kunst der Rongorongo-Schrift
auf der Osterinsel
Betrachtet man die heute noch erhaltenen Rongorongo Schrifttafeln
so muss man feststellen, dass ihre Urheber scheinbar jedes Holzstück
genommen haben, das sich zum Einschneiden der Zeichen eignete.
Denn bei den erhalten gebliebenen Trägerhölzern handelt
es sich um ein Sammelsurium von Hölzern und Holzsorten,
die zum größten Teil nicht von der Osterinsel stammen.
So gibt es von den erhaltenen 26 Holztafeln (wenn man sie denn
so betiteln kann) lediglich fünf aus dem Toromiro-Holz
der Osterinsel. Bei allen anderen Hölzern handelt es nach
Einschätzung von Experten entweder um Treibholz oder Holz
von vorbeifahrenden Segelschiffen. Bei den allgemein als Schrifttafeln
bezeichneten Hölzern scheinen auch nur die Holzplatten
aus Toromiro ausschließlich als Rongorongo Tafel vorbereitet
worden zu sein. Die anderen Hölzer dienten, der Fertigung
nach zu deuten, ursprünglich einen anderen Zweck. So finden
sich zwei Rei-Miro Brustschilder mit nachträglich aufgebrachten
Rongorongo Zeichen aber auch Rongorongo Tafeln die später
Teil einer Bootsbeplankung waren.
Nach einer von Katherine
Routledge 1914 erstmals aufgenommenen Überlieferung
soll der letzte namhafte Großkönig und Meister der
Rongorongo Schrift, Nga'ara, einige hundert dieser Schrifttafeln
besessen haben. Rechnet man das Verhältnis der noch erhaltenen
Hölzer auf die Sammlung von Nga'ara um, so dürften
die meisten Schrifttafeln erst nach dem Kontakt mit den Europäern
entstanden sein. Diese Annahme würde auch die Meinung des
neuseeländischen Linguisten Steven Roger Fischer stützen
der meint, die Initialzündung zur Entwicklung der Rongorongo
Schrift sei erst nach dem Kontakt mit den Spaniern um 1770 entstanden.
In diesem Jahr haben die Spanier den Inselbewohnern eine Annektierungsurkunde
vorgelegt, auf der einheimische Amtsträger einige Zeichen
angebracht haben. Es ist dabei deutlich zu erkennen, dass die
Urheber dieser Zeichen keine geübten Schreiber waren.
Vor Anbringen der eigentlichen Zeichen wurden auf den Holzplatten
möglichst viele, konkave Riefen angebracht, die etwa zwei
Zentimeter hoch waren und jeweils die komplette Längsseite
der Platte einnahmen. In diesen Riefen wurden dann von links
nach rechts Symbole eingeschnitten, die in dieser Abfolge auch
so gelesen wurden. Die zusammengehörigen Symbole wurden
jeweils durch Trennstriche eingegrenzt. War das Ende einer Zeile
erreicht, so wurde die Tafel um 180 Grad gedreht und in der
nächsten Zeile weitergeschrieben bzw. später weitergelesen.
Diese Zeilenformation führt sich bis zur letzten Zeile
fort, um dann durch ein horizontales Drehen der Tafel in der
oberen Zeile der zweiten Seite weiter zu schreiben bzw. später
weiter zu lesen. Durch das Drehen der Tafel standen die Symbole
in der zweiten, vierten, sechsten Zeile usw. auf dem Kopf.
Das Erlernen der unterschiedlichen Rongorongo-Schriftsymbole,
sowie das Einschneiden dieser Symbole auf Holztafeln war ein
langwieriger Prozess. Pater Sebastian
Englert (1937-1969) berichtete über einen alten Mann,
der noch Bewohner gekannt haben will, die als Schüler diese
Schriftzeichen lernen mussten. Nach diesen Berichten hatten
die Schüler in strenger Disziplin die Texte zu lernen.
Sie durften während der Lernphase weder spielen noch sprechen.
Über die Art und Weise, wie die Schüler die Schriftzeichen
und deren Bedeutungen erlernt haben, erhält Alfred
Métraux 1934 von seinem Informanten Charlie Teao
nähere Informationen: Teao konnte sich daran erinnern,
dass der Routledge-Informant Ramon Te Haha davon gesprochen
hatte, dass die Rongorongo Meister den Kindern Figuren mittels
des Kai-Kai-Fadenspiels beigebracht haben. Jede dieser Figuren
entsprach einem Lied und gleichzeitig einem Zeichen auf den
Holztafeln. Die Kinder hatten die Lieder auswendig zu lernen.
Nach
einer gewissen Zeit der Unterweisung hatten die Kinder die Symbolreihen
zu rezitieren und mussten anfangen die Zeichen auf Bananenblättern
zu kopieren. Erst wenn sie ein gewisses Maß an Vollkommenheit
in ihren Kenntnissen und Ausführungen nachweisen konnten,
durften sie anfangen, die Zeichen auf hölzernen Tafeln
einzuritzen. Métraux folgert daraus, dass es sich bei
den Rongorongo Zeichen nicht um eine Schrift handelt, sondern
um Gedächtnis-Symbole zum Auswendiglernen von religiösen
Hymnen.
Auch Thomas Barthel
widmet sich den Unterrichtsmethoden zum Erlernen der Rongorongo-Schrift.
Barthel meint:
"In Berichten über die Unterrichtsmethoden
in diesen Schulen haben offenbar Erfahrungen aus der Missionszeit
das Bild der früheren Verhältnisse etwas verwischt,
doch dürften Fadenspiele als Gedächtnisstützen
zum Memorieren von Tafelgesängen von großer Bedeutung
gewesen sein. Nach
Berichten der Eingeborenen wurden in den alten Schreibschulen
am Anfang des Unterrichts Tafelgesänge zu charakteristischen
Fadenspielfiguren eingeübt.
Die Fadenspiele der Osterinsel haben die Schriftkenntnis
überlebt. Obgleich die dazugehörigen Gesänge
oft unverständlich geworden und zu Kinderversen abgesunken
sind, können in ihnen mitunter noch Bruchstücke
alter Traditionen aufgespürt werden. Auf die Entwicklung
der Schrift allerdings scheint das Fadenspiel keinen größeren
Einfluss ausgeübt zu haben. Seine Figuren blieben vorwiegend
pädagogisches Hilfsmittel zum Erlernen von Gesängen."
Linguisten wie Thomas
Barthel meinen, einige Sequenzen auf den
Tafeln entschlüsselt zu haben. So beispielsweise
die Holztafel Nr. #3 "Mamari".
Bei dieser Tafel handelt es sich um eine gut erhaltene Tafel
aus Toromiro-Holz (also
Original von der Osterinsel). Auf jeder Seite der Tafel sind
jeweils 14 konkave Linien angebracht. Insgesamt beinhaltet diese
Tafel mehr als 1000 eingeschnittene Symbolzeichen. Auf der Seite
"A" in den Linien sechs bis neun soll der Verlauf
des Mondes innerhalb eines Monats beschrieben sein. Die Grafik
zeigt die Zeilen "Ca6" bis "Ca9":
Da die in der jeweiligen Trenngruppe eingeschnittenen Sicheln
nach links zeigen nimmt man an, dass es sich hier (wie im Petroglyphen-Bild
"Papa Mahina" um einen Mond-Kalender handelt.
Entschlüsselungsversuche:
Erstmalig
Kenntnis von den Rongorongo Schrifttafeln bekam der auf der
Osterinsel tätige Missionar Pater Eugéne
Eyraud im Jahre 1864. Eyraud berichtete seinem Bischof Etienne
Jaussen unter anderem, dass sich quasi in jeder Hütte
der Rapanui Holztafeln mit Schriftzeichen befänden, die
in Binsenmatten eingewickelt seien. Der 1866 zur Unterstützung
auf die Osterinsel entsandte Pater
Zumbohm berichtete seinem Bischof auf Tahiti, dass die Eingeborenen
auf der Insel ihre "Herdfeuer jetzt mit Rongorongo Brettern
heizen."
Erstmalig aufmerksam auf eine möglicherweise eigenständige
Schrift der Rapanui wurde Bischof Jaussen im Jahre 1869.
In diesem Jahr besuchten der Missionar Kaspar Zumbohm und der
mitreisende Rapanui Urupano (Urban) Hina Pote Bischof Jaussen.
Zumbohm zeigt
Jaussen dabei ein Holzfragment, das mit einer 16 Meter langen
Schnur aus Menschenhaar umwickelt ist. Beim Anblick dieser Kuriosität
zeigt sich Jaussen von den auf dem Holz eingeschnittenen Figuren
total begeistert und meint, dass dies möglicherweise eine
Schrift ist. Jaussen meint, es sei die erste Spur einer Schrift
in ganz Polynesien. Zumbohm übergab Jaussen das Fragment
als Geschenk. Es ist heute als "Rongorongo-Tafel: D"
(échancrée)
bekannt.
Erst jetzt gab Jaussen den Missionaren auf der Osterinsel den
Auftrag, von den Schrifttafeln zu retten was zu retten sei und
ihm einige Exemplare zu übersenden. Bischof
Jaussen war es auch, der 1869/70 die ersten Versuche unternahm,
die Rongorongo-Zeichen zu entschlüsseln. Hierzu ließ
er sich die in seinem Besitz befindlichen Tafeln unter anderem
durch einen, auf Tahiti arbeitenden, Rapanui namens Metoro vorlesen.
Metoro schien zwar Grundkenntnisse von der Schrift zu haben,
Jaussen urteilte aber, die Aufzeichnungen von den Metoro-Gesängen
seien nicht wirklich brauchbar. Jaussens Veröffentlichungen
zur Entschlüsselung der Schrift führten viele nachfolgenden
Forscher in die Irre.
Der nächste, der versuchte, den Rongorongo Schrifttafeln
ihre Geheimnisse zu entlocken, war der US-Amerikaner William
J. Thomson im Jahre 1886. Thomson ließ sich die Jaussen-Tafeln
während seiner Expedition von einem alten Rapanui namens
Ure Vaeiko vorlesen, allerdings nur anhand von Fotos. Ure Vaeiko
rezitierte scheinbar immer nur die gleiche Schöpfungsgeschichte
und Thomson kam zu dem Ergebnis, dass die Entschlüsselungsversuche
mit Ure Vaeikos erfolglos seien. Leider hat Thomson keine genauen
Aufzeichnungen hinterlassen, zu welchen Tafeln Ure Vaeiko was
rezitiert hat.
1914 versuchte sich die englische Forscherin Katherine
Routledge an der Entschlüsselung der Rongorongo Schrift.
Hierzu befragte sie unter anderem einen alten Mann namens Tomenika
(Vaka Tuku Onge a Teatea), von dem der Routledge Informant Juan
Tepano aus seinen Kindertagen wusste, dass dieser Rongorongo
Zeichen in Bananenblätter geritzt hat.
Auf Routledges Bitten schrieb Tomenika eine Abfolge von Zeichen
auf ein Blatt Papier. Doch der schwer an Lepra erkrankte Tomenika
war bereits schon zu alt, um identische Rongorongo Zeichen zu
Papier zu bringen.
Die ersten ernsthaften wissenschaftlichen Versuche die Rongorongo
Schrift zu entziffern, unternahmen der Schweizerisch/amerikanische
Ethnologe Alfred
Métraux im Jahre 1934, der russische Ethnograph Kudrjawzew
1943, sowie die russischen Ethnologen Nikolai Butinov und Juri
Knorosov 1956. Métraux kam zu der Erkenntnis, dass die
Rongorongo Symbole lediglich mnemotechnische und keine phonetischen
Funktionen haben und es somit nicht möglich sei, die Zeichen
wortgetreu zu übersetzen. Kurdrjawzew konnte erstmalig
Textparallelen in den erhaltenen Tafeln nachweisen. Nikolai
Butinov und Juri Knorosov gaben den Hinweis, dass sich auf der
Schrifttafel G (Kleine Santiagotafel) möglicherweise ein
Verzeichnis von Herrscher bzw. deren Vorfahren mit dem Titel,
dem Namen, dem Vaternamen und einem Suffix verzeichnet seien.
Wirklich weiter kam die Wissenschaft durch die Arbeit des deutschen
Ethnologen Thomas
Barthel mit seiner Arbeit aus dem Jahre 1958. Barthel veröffentlichte
eine Habilitationsschrift mit dem Titel "Grundlagen zur
Entzifferung der Osterinselschrift". Hierbei handelt es
sich um eine akribische und systematische Abhandlung sämtlicher
erhaltenen Rongorongo Schrifterzeugnisse (Stand 1958) mit einer
genauen Angabe über den Verbleib der Tafeln sowie eine
genaue Aufzeichnung, Katalogisierung und wissenschaftlichen
Bewertung aller bekannten Schriftzeichen. In großen Teilen
ist Barthels Arbeit bis heute ein gültiges Grundlagenwerk
für die Entzifferung der Osterinselschrift.
Barthel war auch der erste Wissenschaftler, der in eines der
Tafeln (Exemplar "C" - Marmari) unter anderem einen
Mondkalender vermutete. Barthels Vermutung
vom Mondkalender nahm der Franzose Jacques Guy auf, meinte aber,
dass es sich hier zwar um astronomische Zeichen bzw. Symbole
handle, insgesamt aber kein Kalender im eigentlichen Sinn darstellt.
Dabei verwies er auf die Erkenntnisse des Amerikaners William
Thomson aus dem Jahre 1886, der sich seinerzeit die Zeichen
von einem alten Rapanui hatte rezitieren lassen. Dieser Rapanui
hatte nachvollziehbare astronomische Mondphasen mit Mythen verknüpft.
1995 publizierte der Amerikaner Steven Fischer eine Abhandlung
in der er sich ebenfalls auf Erkenntnisse von William Thomson
stützte. Fischer meinte, die Zeichen des Santiago-Stabes
"I" gäben einen Text wieder, der "Atua mata
riri" genannt wird und 1886 von dem Rapanui "Ure Vaeiko"
gegenüber William J. Thomson rezitiert wurde. Hierbei geht
es um einen Schöpfungsmythos, der den Ursprung verschiedener
Pflanzen, Tiere
und Gegenstände beschreibt. Die von Ure Vaeiko vorgetragenen
Verse waren von standardisierter, sich ständig wiederholender
Form, nach dem "X" (eine Gottheit oder mythischer
Vorfahr) mit "Y" kopuliert und daraus "Z"
entsteht. Fischer erkannte auch als erster, dass gewisse Zeichen
auf dem Stab in Dreier-Blöcken (oder durch 3 teilbare Blöcke)
durch dasselbe Symbol getrennt sind. Auch Barthel war diese
Trennung aufgefallen. Während Barthel (1958) aber von senkrechten
Trennungsstrichen spricht, will Fischer aus diesem Symbol ein
Phallussymbol erkannt haben.
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