Die Handwerker auf der Osterinsel gehörten mit ihren hochspezialisierten
Fähigkeiten der sozialen Gruppe der "tuhunga" an
und hatten in der Rapa
Nui Gesellschaft eine besondere Stellung. Diese Stellung wurde
laut Alfred Métraux
in der Regel in der männlichen Erblinie fortgeführt.
Das Wissen um die Fertigkeiten wurde laut Métraux vom Vater
auf den Sohn weitergegeben, gleichwohl standen die unterschiedlichen
Berufszweige allen offen, die entsprechende Talente zeigten.
"tuhunga" ist die alte Wortbeschreibung für "Experten
von hohem Rang". Die Wortumschreibung umfasste deshalb auch
die Priester (Métraux 1957, Steven Roger Fischer 2005).
In den 1880er Jahren ersetzten Rückkehrer aus Tahiti das
alte Rapanui-Wort tuhunga mit Ma'ori.
Als die Osterinsel im Jahre 1722 entdeckt wurde, war die Blütezeit
für die hohe Kunst des Handwerks bereits vorbei. Roggeveen
und seine Reisebegleiter berichten zwar noch von intakten Zeremonie-Anlagen
und ordentlich bestellten Feldern, doch die Arbeiten im Moai-Steinbruch
Rano Raraku waren eingestellt
und Bauholz gab es schon lange nicht mehr.
Durch den zunehmenden Einfluss der jährlich wechselnden
Vogelmänner mit ihren unterschiedlichen Interessen begannen
in dieser Zeit auch interne Clan-Konflikte mit wechselseitigen
Zerstörungen und Vergeltungskriegen. Die Spezialisten für
die Feldbestellung, für den Bau von Paenga-Hütten
oder auch die Netzflechter waren mehr damit beschäftigt,
zerstörte Ressourcen zu reparieren als innovativ neue Akzente
zu setzen.
Dennoch: Zeugnisse von den Fähigkeiten der Handwerker
finden sich überall auf der Insel, in Form der Ahu-Bauten,
Moai, Petroglyphen,
der Ritualfiguren, der
steinernen Fischhaken oder auch der Rongorongo-Schrifttafeln.
Über andere Bereiche wie der Bootsbau
oder die Herstellung von Netzen oder
aus der Landwirtschaft ist wegen der Vergänglichkeit der
Produkte weniger bekannt, doch es hat sie gegeben.
Ein alter Rapanui konnte Jakob
Weisser (Geiseler-Expedition
1882) noch erzählen, dass es bei ihren Vorfahren eine bestimmte
Kaste gegeben hatte, die die "Steinidole" (Moai) hergestellt
haben. Diese Kaste betrieb das Handwerk gewerbsmäßig
und wurde von den Bewohnern als "Idolmacher" bezeichnet.
Die Idolmacher, wie auch die Bootsmacher genossen ein hohes
Ansehen in der Bevölkerung und erfüllten selbst die
Nachkommen noch mit großem Stolz. Der Rapanui berichtete,
von einem Idolmacher wurden mehrere Idole zeitgleich angefangen
und zu Lebzeiten konnte er lediglich ein oder zwei komplett
fertigstellen. Im ausgehenden 19. und eingehenden 20. Jahrhundert
fanden sich in den Moai-Steinbrüchen des Rano
Raraku noch hunderte von Steinwerkzeugen in Form von Steinmeißel
und Schlagsteine. Selbst heute finden sich solche Werkzeuge
noch bei gezielten Ausgrabungen.
Bildhauer für Moai:
Nach Recherchen von Alfred
Métraux erhielten die Meister der Steinwerkskunst
von den Clans jeweils den Auftrag, ein Denkmal (Moai) für
ihre Ahu-Anlage zu erstellen. Am Steinbruch Rano
Raraku arbeiteten die Bildhauer-Spezialisten in Gruppen,
die von einem Meister angeführt wurde. Alfred Métraux
meint auch, die Arbeiter am Rano Raraku seien möglicherweise
von Bauern und Fischern mit Lebensmittel versorgt worden.
Bierbach und Cain meinen, die Steinmetz-Gruppen am Rano Raraku
hätten jeweils in einer verwandtschaftlichen Beziehung
gestanden, die zum Nutzen ihrer Verwandtschaftsgruppen gearbeitete
hätten.
Ein Inselführer von William
J. Thomson erzählte 1886 noch voller Stolz, dass
sein Großvater "U'u Rata Hui"
ein berühmter Bildhauer gewesen sei.
Bildhauer für Petroglyphen:
Die Petroglpyhen rund um die Osterinsel und speziell am Vogelmann-Kultort
Orongo zeigen
eindrucksvoll die Kunstfertigkeit einiger "tahunga"
in der Spätphase dieses Kultes. Auf den begrenzten Flächen
der Felsen finden sich vornehmlich "Tangata-Manu"
(Vogelmann) Petroglyphen, die aus verschiedenen Zeitepochen
übereinander eingeschlagen wurden. Georgia Lee meint,
jeder neue Vogelmann sei mit einer entsprechenden Petroglyphe
verewigt worden. Die so klassisch, in Reliefform, eingeschlagenen
Tangata-Manu sind mit großer Wahrscheinlichkeit das
Produkt von Steinmetzmeistern, deren Kapazitäten nach
der Schließung des Moai-Steinbruchs am Rano
Raraku nach 1670 freigeworden sind.
Holzschnitzer der Ritualfiguren:
Vornehmlich die alten Ritualfiguren aus dem 18. Jahrhundert
(und davor) zeigen die hohe handwerkliche Schnitzkunst der
Osterinsulaner. Eindrucksvoll sind vor allem die so genannten
"Moai-Kavakava" Figuren mit teilweise sehr feingliedrig
angebrachte Kopfverzierungen.
Die "Moai-Kavakava" sollen Abbilder
böser Geister gewesen sein, die als Schutzfiguren in
den Wohnhütten (Paenga) der Rapanui platziert waren.
Andere Figuren wie die "Moai-Tangata" oder "Moai-Papa"
stellten wohl Ahnen dar, weitere wie die "Moai-Tangata-Manu"
oder "Moko", "Tahonga" oder "Rei-Miro"
waren Hilfs- und Schutzfiguren zur Ausübung bestimmter
Rituale.
Derartige Ritualfiguren wurden aus dem harten Holz des "Toromiro"-Holz
gefertigt, eine Baumart, die ab 1965 als ausgestorben galt,
jedoch 1995 mit mäßigem Erfolg wieder angesiedelt
wurde.
Der Belgier Dederen Francois "Te Pito"
hat viele Museen dieser Welt aufgesucht und 2013 in seinem
Buch "Corpus – Rapa Nui" insgesamt 581 Abbildungen
dieser Holzfiguren zusammengetragen. Viele von den heute
bekannten Figuren wurden in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts aus minderwertigem Holz gefertigt und den
damaligen Besuchern als "Touristenware" verkauft.
Gelehrte für die Herstellung
der Rongorongo Schrifttafeln:
Die Rapanui auf der Osterinsel haben als einziges Volk in
Polynesien eine Schrift hervorgebracht, deren Zeichen auf
Holztafeln festgehalten wurden. Den Überlieferungen nach,
sind die Schriftgelehrten und Urheber dieser Tafeln der Priestergilde
zuzuordnen.
Die Vielzahl der unterschiedlichen Rongorongo-Zeichen
steht alleine schon für eine hohe Kunstfertigkeit, doch
die Schneidekunst in das Trägermaterial ist ebenso bemerkenswert.
Von Forschungsreisenden wie William
J. Thomson oder Katherine
Routledge ist bekannt, dass "Rongorongo-Männer"
in Priesterschulen die Zeichen zunächst auf Bananenblättern
zu üben hatten und nur die Meister(schüler) diese
Zeichen dann auch in Holztafeln einschneiden durften. Die
Qualität wurden abschließend vom Großkönig
"ariki-mau" persönlich geprüft und abgenommen.
Die Vorbereitung des Trägermaterials ist bei den meisten
der heute bekannten 26 Tafeln allerdings wenig meisterlich.
Auf Holzplatten oder Stäben wurden ca. 2 cm breite Riefen
angebracht, in denen dann die Zeichen eingeschnitten wurden.
Inwieweit es wahre Meisterstücke gab, ist nicht bekannt.
Der Großkönig "Nga'ara" (1833-1859) soll
in Besitz von einigen hundert Tafeln gewesen sein.
Die meisten dieser Tafeln sind leider in der Zeit zwischen
1853 und 1869 verloren gegangen. Informanten berichteten Thomson
und Routledge, viele der Tafeln seien während der Kriege
mit den Paenga-Hütten verbrannt. Ein Rapanui namens Hina
Pote, der Pater Kaspar
Zumbohm auf einen Besuch zum Bischof Étienne
Jaussen begleitete meinte auf Nachfrage von Jaussen für
weitere Exemplare: "[…] die meisten
der für sie nutzlosen Hölzer seien zwischenzeitlich
dazu verwendet worden, um die Feuer in ihren
Öfen anzuheizen".
Die Bootsbauer:
Die Vielzahl der maritimen Petroglyphen auf den Lavaplatten
"Papa-Vaka" zeigen, dass es an der Nordostküste
einmal eine florierende Fischerei mit Langbooten gegeben haben
muss. Darstellungen von Thun-Fischen, Delfinen, Haien und
sogar Walen zeigen die Fangerfolge der historischen Bevölkerung.
So gesehen muss es auf der Osterinsel einmal hochseetüchtige
Boote gegeben haben.
Zum Zeitpunkt der ersten Kontakte mit Europäern (1722)
waren allerdings keine seetüchtigen Boote mehr vorhanden.
Die ersten Entdecker berichten lediglich von einigen kleinen
Kanus, die aus kleinen schmalen Holzstücken gefertigt
waren - eine Folge des Holzmangels auf der Insel. Doch selbst
diese Kanus zeigen, dass die Vorfahren der angetroffenen Rapanui
eine hohe Kunstfertigkeit im Bootsbau gehabt haben müssen.
Die Netzweber:
Die Osterinsulaner haben in historischen Zeiten Netze hergestellt,
von denen sich leider wegen des Naturmaterials wenige erhalten
haben. Doch schon die ersten Besucher unter Felipe González
(1770) oder Charles
Bishop (1795) aber auch spätere Besucher wie Adalbert
von Chamisso und Ludwig
Choris (1816) sowie Colin
M. Dundas (1868) oder Walter
Knoche (1911) zeigten sich beeindruckt von den feinmaschigen
Netzen.
William J.
Thomson (1886) hat als Erster sogar die Fischernetze fotografisch
festgehalten und beschrieben.
Komischerweise finden sich auf der Osterinsel unter den tausenden
von Petroglyphen lediglich zwei Abbildungen von Fischernetzen.
Das Knüpfen von Knoten:
Von Pater Sebastian
Englert kommt die Information, dass die Handwerker beim
Knüpfen von Knoten eine ganz bestimmte Richtung und Reihenfolge
einzuhalten hatten, um Unglück abzuwehren. Knoten waren
beispielsweise wichtig beim Bau von Paenga-Hütten, Netzweber,
Bootsbauer oder auch Priester beim Binden der Bekleidungsknoten.